Automatisierung: Nur ein skalierbares Konzept sichert Unternehmen Marktpräsenz auch in zehn Jahren

Petra Troblová Aimtec
24. 2. 2023 | 7 Minuten Lesen

Die Automatisierung hält seit Jahren in der Logistik Einzug. Zu den Automatisierungstechnologien werden bisweilen auch Lesegeräte für Strichcodes gezählt, die seit Jahrzehnten bekannt sind. Kein Wunder also, dass sich die mit der Automatisierung verbundenen Ziele und Erwartungen nach und nach weiterentwickeln. Über dieses und weitere Themen debattierten Jindřich Kadeřávek, Managing Director und Geschäftsführer der Firma Element Logic, Libor Mihalka, Geschäftsführer von LogTech, David Strnad, Logistikleiter der Marke ŠKODA AUTO, Jan Linhart, Senior Projektmanager von Alza.cz, sowie Rostislav Schwob, Supply Chain Solutions Director bei Aimtec.

„Die Sicht auf die Automatisierung unterliegt einem grundlegenden Wandel. Das Ziel besteht vor allem in maximaler Einsparung der physischen Bewegung des Personals. Bewegungen übernehmen nunmehr Technologien. Vor 15 Jahren legte ein Picker im Lager 15 Kilometer pro Tag zurück, heute erledigen das Maschinen für ihn, und mit der Zeit kann auch der Picker vor Ort durch einen Roboterarm ersetzt werden“, meint Jindřich Kadeřávek von Element Logic. Damit Automatisierung Sinn macht, sollte sie sich demnach durch eine gewisse Universalität auszeichnen, die Firmen ermöglicht, das Geschäft an aktuelle Bedürfnisse anzupassen.

Automatisieren lässt sich der gesamte Logistikprozess von der Warenannahme im Lager bis hin zur Auslieferung. Gegenstand der Automatisierung kann somit ein beliebiges Glied in dieser Kette sein. Dann spricht man von „Vollautomatisierung“ – nach Auffassung von David Strnad der Idealzustand. Der Logistikleiter der Marke ŠKODA AUTO betont, dass die Automatisierung in den letzten Jahren in der Logistik umfassend Einzug gehalten hat.

„In der Produktion wurden Roboter und vollautomatisierte Prozesse bereits vor dreißig Jahren genutzt. In den letzten fünf bis sieben Jahren ist ein klarer Trend hin zu vollautomatisierten Lagern erkennbar und wird sich fortsetzen.“

David Strnad, Logistikleiter der Marke, ŠKODA AUTO

Komplette Automatisierung vs. Platz für den Menschen

Die Teilnehmer stimmten überein, dass sich fast alles automatisieren lässt, dies aber nicht immer einfach und wünschenswert ist. „Wenn eine Firma hundert Zulieferer hat, vermag sie diese zu standardisieren. Hat sie aber zehntausend, ist eine automatische Annahme äußerst problematisch“, sagt Jan Linhart von Alza.

Hier kommt die Logistik bislang nicht ohne menschliches Zutun und Überwachung aus. Nach Auffassung von Jindřich Kadeřávek hat der Mensch im Lager vorerst seinen Platz, und das wird auch noch einige Zeit so bleiben. Angesichts der bisherigen Evolution sieht es aber schlecht für ihn aus. „Es ist toll, das Staunen eines Kunden zu sehen, wenn er ein vollautomatisiertes Lager erblickt. Er wundert sich, wie ruhig es dort zugeht. Dabei ist das Lager fünfmal leistungsfähiger als eines voller herumhetzender Menschen“, beschreibt Kadeřávek.

Richtig automatisieren auch in Hinblick auf die weitere Entwicklung

Jedes System ist verwundbar. Die letzten Jahre haben die Verletzlichkeit der globalen Lieferketten deutlich aufgezeigt. Daher sollten auch automatisierte Betriebe so konzipiert sein, dass sie die Möglichkeit von Ausfällen bei Materiallieferungen berücksichtigen. Rostislav Schwob vertritt die Meinung, dass so automatisiert werden sollte, dass sich Programme immer umstellen und an neue Bedingungen anpassen lassen. „Die Grundlage sehe ich darin, ein Konzept zu erarbeiten, das sich ständig weiterentwickeln lässt“, unterbreitet er seine Sicht. Nur so könne sichergestellt werden, dass ein Automatisierungsprojekt auch zehn Jahre nach seiner Implementierung noch Bestand hat.

Auf ein Konzept, welches sich modifizieren und weiterentwickeln lässt, setzt auch Alza. Wie Jan Linhart erläutert, verfügt das Unternehmen über eine eigene Software zur Steuerung von Transportvorrichtungen und weitere automatisierte Lösungen und kann bei Bedarf Systemänderungen nach aktuellen Bedürfnissen vornehmen. „Schachtellösungen“ von Lieferanten, mit denen Linhart Erfahrung hat, erwiesen sich als unzureichend flexibel und teuer.

Rostislav Schwob verweist darauf, dass zu Beginn von Automatisierungsprojekten gründliche Überlegungen zum Automatisierungskonzept angestellt werden müssen. „Es ist zu erwägen, welche Prozesse automatisiert werden wollen, was für Ware sich in den Lagern bewegt, was Schnelldreher und was Langsamdreher sind usw. Nach meiner Erfahrung scheitern Projekte aufgrund solcher banalen Dinge, wenn die Realität nicht dem Plan entspricht und die Automatisierung langsam und leistungsschwach ist“, sagt der Aimtec-Manager.


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Was muss im Vorfeld der Automatisierung berücksichtigt werden?

Beschließt ein Unternehmen, Lager oder Logistik als solche zu automatisieren, sollte es sich nach Auffassung von Kadeřávek zunächst die Frage nach dem Wie, Wann, Was und Warum stellen. „Benötigt wird ein Überblick über den Lagerbetrieb in den letzten zwei Jahren und eine Vorstellung, wie die Firma in drei Jahren aussehen soll. Was für Material wird dort gelagert? Ist eine Übernahme geplant, die Veränderungen bringt? Das muss man wissen, und erst dann kommen Details an die Reihe, die sich aus der Datenanalyse ergeben, z. B. welche Posten die höchste Umschlagshäufigkeit aufweisen. Wesentlich ist die Beschäftigung mit einzelnen Prozessen. Sobald einer ausgelassen wird, entsteht ein Engpass, und der Automatisierungseffekt verflüchtigt sich“, erläutert Kadeřávek.

Wie Schwob aufzeigt, belegen Beispiele aus der Praxis, dass ein Pilotprojekt dem Management oft die Augen öffnet und die Firma erst dann erkennt, was alles automatisiert werden kann. „Anfangs lässt sich nur schwer einschätzen, was für einen Effekt das alles hat“, stellt Schwob fest. Damit verbunden ist auch die Schwierigkeit von Überlegungen zur Rentabilität.

Integration unterschiedlicher Technologien dank intelligenter Schicht

Vollautomatisierung bedeutet Kooperation einzelner Technologien. Wenngleich es sich um Automatisierungstechnologien handelt, ist ihr Zusammenwirken nicht automatisch sichergestellt. Die Redner sind sich darin einig, dass eine willkommene, vor wenigen Jahren noch nicht verfügbare Neuheit die intelligente Schicht ist – eine Integrationssoftware, die das zentrale ERP-System mit weiteren Teilsystemen vernetzt. „Je mehr Komponenten, desto mehr Integration wird benötigt, was das Grundelement der Automatisierung ist. Wer die flexibelste Lösung anbieten kann, beherrscht den Markt“, ist Kadeřávek überzeugt.

ŠKODA AUTO strebt hingegen ein offenes System mit mehreren Lieferanten an, um nicht von einem abhängig zu sein, der dann die Konditionen diktieren könnte. Dazu David Strnad: „Aktuell erwägen wir eine neue Welle von AGV, und unser Ziel ist zentrale Steuerung, aber mit offenem System, wobei wir einmal von Firma A kaufen, dann von Firma B, und problemlos auch fünf Lieferanten möglich sind.“

Die Zukunft der Logistik – Bedeutung des Menschen, Tools für einfache Änderungen

Mittelfristig rechnen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion mit einer Beschleunigung des bisherigen Automatisierungstrends. In zehn Jahren erwarten sie einen vollautomatisierten Lagerbetrieb. „Ich sehe viele kleine selbstfahrende Wagen, die sicherstellen, dass der Mensch nichts von A nach B bringen muss. Trotzdem wird es irgendwo jemanden geben, vielleicht mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, der flexible Tätigkeiten verrichtet, bei denen Automatisierung keinen Sinn macht“, prognostiziert Schwob.

Mit Menschen rechnet für die Zukunft auch Linhart. Er erwartet schnellere und bessere Lösungen, ist aber nicht davon überzeugt, dass binnen zehn Jahren alles vollständig automatisiert werden kann.

Aus geschäftlicher Perspektive betrachtet das Thema Libor Mihalka von LogTech: „Ich denke, es wird zur Konsolidierung von Firmen kommen, die Automatisierung implementieren, und diese großen Unternehmen werden große Lösungen vorantreiben, während die kleineren Lösungen wie AutoStore oder autonome Roboter liefern.“

Strnad rechnet auch mit Veränderungen dahingehend, was von Lieferanten der Automatisierungslösungen verlangt werden kann. „Ich gehe davon aus, dass Lieferanten in Zukunft nicht nur Automatisierung liefern, sondern auch Tools, welche es den Abnehmern ermöglichen, Änderungen ganz einfach selbst vorzunehmen“, schließt Strnad die Gesprächsrunde zum Blick in die Zukunft ab.


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     Vít Glasl


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