Besonderheiten von Lieferungen an Jaguar Land Rover (JLR)

Rostislav Schwob Aimtec
25. 12. 2017 | 5 Minuten Lesen

In der Slowakei entsteht ein neues Werk von JLR. Dabei handelt es sich um eine der größten Auslandsinvestitionen in der neueren Geschichte des Landes. Uns interessiert, was für Anforderungen es an seine Zulieferer haben wird. Neben verschiedenen Handbüchern und Leitlinien betrachten wir Anforderungen, die durch das Logistik-Audit geregelt und kontrolliert werden.

JLR unterteilt seine Zulieferer ausgehend von den Audit-Ergebnissen in drei Hauptgruppen A, B und C. A ist ein Lieferant ohne Risiken, B ein Lieferant mit geringem Risiko der Nichterfüllung von Lieferungen, und C weist ein hohes Risiko auf. In den auf den Webseiten frei verfügbaren Handbüchern ist zu lesen, dass das Audit der Gewährleistung eines reibungslosen Prozesses der Teileannahme ohne Ausfälle, Qualitätsabweichungen und Mehrkosten dient. Das Audit besteht aus einer Serie von Fragen in Schlüsselbereichen, wie Packaging, Delivery, Labeling, EDI, ASN, Emergency Contact Info, SPEEDY oder MMOG/LE. Bereits aus der bloßen Aufzählung wird ersichtlich, was für Gewicht EDI-Kommunikation und Datenverarbeitung in den Informationssystemen allgemein beigemessen wird. Von den übrigen Kriterien außer IT beeindruckt im Bereich Verpackungen die Tatsache, dass JLR ausschließlich Mehrwegverpackungen verlangt. Einwegverpackungen müssen immer vorab bewilligt werden, und zwar auch bei notfallbedingten Ersatzlieferungen. In Hinblick auf die Einsparung von Kosten für leere Verpackungen befasst man sich nicht mit europäischen Lieferanten und verlangt umgekehrt von Lieferanten aus Übersee Klappverpackungen. Im Rahmen von Lieferungen werden gegenüber allen Lieferanten die INCOTERMS 2000/FCA-Klauseln verlangt. Bei der Kennzeichnung von Transportbehältern und Paletten geht man von der Industrienorm ODETTE Version 1.4.1 aus. Eine gewisse Besonderheit der Kennzeichnung besteht in der Unzulässigkeit von selbstklebenden Etiketten und der strikten Forderung nach einem minimalen Papiergewicht von 160GSM. 

EDI als notwendige Voraussetzung der Zusammenarbeit

Jeder Lieferant muss mit JLR mittels EDI kommunizieren, sonst fällt er automatisch in die Kategorie C mit hohem Risiko. Wer nicht über EDI kommuniziert, kommt demzufolge auch nicht als Lieferant für JLR in Frage. Mengenanforderungen an Teilelieferungen werden durch zwei Typen von Abrufen präzisiert. Das langfristige Planning Release wird einmal wöchentlich übermittelt. Es handelt sich um eine Aufstellung der Wochenmengen für 26 Wochen im Voraus. Für 14 Tage im Voraus ist der DCI-Abruf (Daily Call In) bestimmt, in dem Tag, Uhrzeit und Anforderungen an jede Lieferung präzisiert werden. Die Nichterfüllung der im DCI geforderten Mengen bedeutet für den Lieferanten der Verlust von SPEEDY-Punkten und das Risiko der Herabstufung in eine niedrigere Bewertungskategorie. SPEEDY ist ein sechsmonatiges gewichtetes Scoring der Lieferanten-Performance (Supplier Delivery Performance Rating). 
 
Das elektronische Avis einer Teilelieferung ist die wichtigste EDI-Nachricht. Bei einem Fehler oder Nichterfüllung der Bedingungen drohen dem Lieferanten auch hier SPEEDY-Punkte und die Herabstufung. Die Erteilung eines SPEEDY-Punkts erfolgt in diesem Fall voll automatisch ohne menschlichen Eingriff. ASN-Nachrichten sollten binnen 15 Minuten, nachdem der LKW das Werksgelände verlassen hat, versendet werden, jedoch erst, wenn er mit allen Teilen voll beladen ist. Für jeden Lieferort ist eine ASN zu senden. Der LKW darf nicht früher eintreffen als die elektronische Nachricht. Achtung – eine besondere Anforderung von JLR besteht in der Übermittlung des Auflieger-Kennzeichens in der Mitteilung. 

Sequenzierung 

Ein eigenständiges Kapitel der Lieferungen an JLR sind Lieferanten im Sequenzierungsverfahren. Die historische Verbindung zu BMW wird offenbar auch bei der Sequenzierung sichtbar. Ähnlich wie BMW schickt JLR Aufstellungen für acht Werktage im Voraus (EDM – Eight Day Message). In einer solchen Nachricht erhält der Lieferant die Information, welche Fahrzeuge (Auftragsnummer) am betreffenden Tag produziert werden, welches Teil zu liefern ist, was für eine Spezifikation oder Stückliste das Teil haben soll. An jedem Tag erhält er einen Ausblick und eine Präzisierung für die nächsten ca. zwölf Kalendertage. Ungefähr sechs Stunden vor Produktion wird die finale Sequenz TLS (Target Launch Sequence) und Reihenfolge der Fahrzeugfertigung auf dem Fließband festgelegt. Bis dahin können sich Spezifikation eines Teils und Lieferdatum noch ändern, danach nicht mehr. Was bei JLR besonders gut läuft, ist die Art und Weise der Kommunikation von Änderungen des Sequenzausblicks gegenüber den Lieferanten. Entweder schickt man im EDM-Ausblick nur Änderungen, d. h. neue Fahrzeuge für einen neuen Tag und Fahrzeuge mit geänderter Spezifikation bzw. Datum. Oder es wird ein neuer kompletter Ausblick für die nächsten acht Tage übermittelt, aber bereits ohne kenntlich gemachte Änderungen. Der Lieferant kann wählen und die Neuzusendung der Spezifikation eines konkreten Teils oder eines konkreten Fahrzeugs anfordern. Das Notfallkonzept bei Ausfall der Informationssysteme enthält die Möglichkeit des Herunterladens einer Spezifikation, einschließlich der Sequenzreihenfolge, im XLS-Format vom JLR-Portal. Ziemlich einfach und zweckmäßig. Etwas ganz Spezielles, was für zusätzlichen Arbeitsaufwand sorgt, ist hingegen die Tatsache, dass eine TLS-Nachricht zur Festlegung der Reihenfolge auf dem Fließband nicht per EDI übermittelt wird. Die Veröffentlichung erfolgt über WSA (Web Sequencing Application). Der Lieferant muss sich über eine verschlüsselte Verbindung einloggen und die TLS-Nachricht über Web Service und API-Schnittstelle herunterladen. Die Bezahlung für gelieferte Teile unterscheidet sich nicht von den übrigen Herstellern und erfolgt per Pay On Production. JLR schickt jeden Monat eine SBI (Self Bill Invoice) zur Bezahlung von Teilen für in der Vorwoche gefertigte Fahrzeuge. Der Lieferant hat die Möglichkeit, zur einfacheren Kontrolle der gelieferten und bezahlten Teile außer einer SBI-Nachricht auch einen regelmäßigen Bericht mit Liste der produzierten Fahrzeuge anzufordern. 

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